Denver – Schrecken ohne Ende

Denver soll für eine amerikanische Stadt sehr viele historische Gebäude bieten und ein eigenes besonderes Flair haben.

Das schau ich mir an. Mit dem Bus geht es in die Innenstadt. Es ist Samstag kurz vor Mittag. Irgendwie ist wenig los hier. Am Kapitol steige ich aus. Im Park davor findet ein spezieller Markt für Leute, die ihre innere Spiritualität erkannt haben, statt. Das erklärt mir ein Mann, der sich als eine Mischung zwischen Zauberer und Hexe empfindet.

Außerdem versuchen sie einen Rekord aufzustellen, um ins Guinness Buch der Rekorde zu kommen. Sehr weltlich für Erleuchtete. Egal, dafür müssen 500 Menschen mit Hexenhut versammelt sein. Sie haben noch eine viertel Stunde Zeit. Mein Blick in den Park erfasst maximal 100 Hexen. Das dürfte knapp werden. Zaubern müsste man können, aber vielleicht sind ja echte Zauberer vor Ort, also besteht Hoffnung. Bevor ich noch im Wahn so nen Hut übergestülpt bekomme, nehm ich meinen Besen und düse ab. Ich dreh ne größere Runde über einen der zahlreichen Sportkomplexe in die historische Altstadt. Kaum Leute hier. Plötzlich Schreie. Ein Mann mit zerfetzter Kleidung, die blutrot getränkt ist, kommt mir entgegen. Ein weiterer Mann trägt einen abgetrennten Unterarm in seiner Hand. Einem hängt ein Auge heraus. Es werden immer mehr Leute, die orientierungslos herum irren, schreien und plötzlich zu Boden fallen.

Achja. Halloween. Beziehungsweise ein Vorläufer davon. Der Höhepunkt der amerikanischen Kultur!? Und ich mitten drin. Denver wurde von Zombies übernommen.

Aber es gibt auch die Zombiejäger, die meist als Soldaten, Polizisten…oder so… verkleidet mit Wasserpistolen oder besser mit Wasserkanonen bewaffnet, die Fußgängerzone befreien wollen.

Ganz gelingt es ihnen nicht. Es ist ein Jagen und gejagt werden, da ein Zombiebiss ansteckend ist. Das Treiben schaue ich mir an. Geht auch nicht anders, denn alle Sehenswürdigkeiten der Stadt befinden sich im besetzten Gebiet. Es ist wie Fasching bzw. Karneval nur anstatt Alkohol mit viel (Kunst)Blut. Als Kostüm für die Zombies fungiert alles, was jahrzehntelang auf dem Speicher lag oder auf dem Spermüll gefunden wurde. Angeblich wird die furchteinflößenste Verkleidung prämiert. So ein Mist. Am Morgen hatte ich meinen wilden Siebentagebart abrasiert und damit leichtfertig den sicheren Sieg hergegeben. Naja, dann geh ich halt als Tourist. Schlimm genug. Bewaffnet mit so ner Kamera kann man ganz schön schlimme Bilder machen. Die kriegt man nicht mehr weg! Die Masse der Zombies sind gar nicht so böse wie sie ausschauen. Kaum sehen sie einen Fotoapparat, bleiben sie stehen, machen irgend eine Pose und lächeln…ach…ne…und schauen grimmig.

Was das wohl wird? Wer als erstes blinzelt hat verloren?? Schlechte Wahl des Gegners

Für die Kinder ist es ein Riesenspaß, für die Erwachsenen ein Schaulaufen. Wer nicht genügend Aufmerksamkeit bekommt, stellt sich auf irgendein Podest, Stuhl oder Sarg und macht furchtbare Geräusche. Die Masse hat ein weißblasses Gesicht mit heruntertropfendem Blut und aufgerissenen T-Shirts, während andere wohl tagelang damit beschäftigt waren, ihr Kostüm bis aufs kleinste Detail vorzubereiten. Sicherlich sind die dann morgens sehr früh aufgestanden, um sich penibel hässlich zu schminken. Na gut, manch einer hat da Vorteile.

Nicht jede Nadel ist für Akupunktur geeignet

Die Detailverliebtheit kennt keine Grenzen. Kleinstkinder werden zu keifende Monster, Hunde werden zu Werwölfen (leider kein Bild). Während erstere meist sehr überzeugt die Rolle verinnerlicht haben, sind Letztere ganz schlecht in dieses Event eingeführt worden. Viel zu lieb schauen sie erstaunt herum und lassen sich bereitwillig streicheln. So steigt man auf: Vom Rehstreichler zum Werwolfstreichler.

Auf dem Weg zurück, suche ich die richtige Bushaltestelle. Ein Mann anfang dreißig spricht mich an. Er saß ne zeitlang im Gefängnis und wurde dort zu einem Poeten, der sich mit seiner Vergangenheit und dem Sinn des Lebens auseinander setzt. Zuvor hat er so gut wie noch nie ein Buch in der Hand gehabt. Die amerikanische Justiz wäre schier begeistert. Eigentlich wollte er ein paar Gedichte in der Fußgängerzone verkaufen, da abends immer so zivilisierte Menschen herum laufen. Heute sei das anders. Jetzt wird er wohl ohne etwas verdient zu haben, nach Hause müssen. Aus reiner Neugier kaufe ich ihm zwei Gedichte ab. Ein Drittes schenkt er mir und trägt mir im Rap-Stil eines der Gedichte vor. Klingt gut, ich versteh aber kein Wort. Da muss ich mich erst einlesen. Da er wissen will, was ich hier mach (nach Zombie sehe ich ja nicht aus), erzähle ich von meiner Reise. Er sieht fast danach aus, als wolle er spontan darüber dichten, aber er behält es erstmal für sich. Wir verabschieden uns und ich werde auf dem Weg zum Bus beinah doch noch von einem Zombie gebissen, während ich zuvor alle Anfragen „BRAINS!“ mit „Sorry! No brain!“ erfolgreich abwehren konnte.

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