Lektionen in Gastfreundschaft

Kaum ein Reiseführer, der nicht die Gastfreundlichkeit in der Ukraine hervorhebt. Gut so, denn ansonsten würde es nach meinen bisherigen Erfahrungen gar nicht existieren.

Ich war schon in einigen Ländern. Dort habe ich positive wie negative Erfahrungen gesammelt. Aber was ich hier erlebe, kann ich nicht besonders positiv bewerten. Leider.
Eigentlich hatte ich mich sehr auf dieses Land gefreut. Die Natur, die Landschaft sind grandios. Die Menschen sind im Grunde auch nett, aber ich unterscheide zwischen nett und gastfreundlich. Teilweise habe ich auch beinahe aufopferungsvolles Handeln erlebt, um im Nachhinein festzustellen, dass es nicht um mein Wohl, sondern um ein erhofftes Zubrot ging.
In Bakhchtysaray wurde ich umsorgt, sei es um eine Unterkunft zu finden, die grottig war, Essen anzubieten, das gerade noch akzeptabel war oder um einen „sicheren“ Stellplatz für mein Motorrad zu Verfügung zu stellen, das allen Ansprüchen eines „Motorradinteressierten“ genügte…nur nicht meinen. Es wird mit viel Bohei augenscheinlich das anliegende Problem des Reisenden gelöst. Kaum genügt die Lösung in den Augen der Einheimischen und haben ihren Teil erhalten, sind sie verschwunden.
Es wird mir eine Unterkunft angeboten. Alles ok soweit. Zimmer gesehen. Nehm ich. Aber Vorauszahlung. Hmm…na gut. Geld gegeben und weg. Nicht mehr gesehen. Ich stelle fest, dass kein Wasser läuft. Niemand da. Naja, richte ich es halt selbst. Abfluss der Dusche zu. Klar: Mein Problem. Direkt neben dran ist ein Café, in dem laute Musik gespielt wird. Angeblich nur bis 23:00. Um 3:00 war sie dann tatsächlich aus. Ich sprech den Besitzer darauf an. Mehr als umdrehen und gehen war nicht drin für ihn.
Schon der erste Abend hier, zeigte schon ein ähnliches Bild. Spricht man etwas an, was nicht funktioniert, bekommt man bestenfalls ein Lächeln und ein „Sorry“. Das muss wohl genügen.
– Wann ich frühstücken wolle?
– Wann geht es denn?
– Wann immer ich will.
– Ok, um 7:00.
– Das ist zu früh.
– Gut, um 7:30.
– Zu früh.
– 8:00?
– Da essen schon andere.
– Ja und?
– Zu wenig Platz
– 8:30!!!!
– Nein, da sind die noch nicht fertig.
– Ok, um 9:00.
– Ja, das geht.
…es ist 9:00h und werde in eine abstellkammerähnliche Küche gebracht, wo ich mein Frühstück bekomm, denn die anderen kamen doch nicht um 8:00h und sind somit noch nicht fertig. Aber hier hätte ich ja auch um 8:00h essen können. Stimmt. Warum muss ich mich JETZT nach den anderen richten?? Richtig: „Sorry“
Das Highlight: Ich suche mal wieder ein Unterkunft. Campingplatz ist zu. Zu viele herumstreunende Hunde, um wild zu campen. Also fahr ich in einer Ortschaft zu einer Pension. Wie ich feststelle, wird dort gerade umgebaut. Aber ein Zimmer ist fertig. Leider spricht keiner deutsch oder englisch. Das Russisch ist schon sehr verfälscht hier. Auch ich verstehe nichts. Es wird ein Bekannter herbeigerufen, der übersetzen soll. Er wirkt sehr nett. Wir vereinbaren einen Preis. Ich frage nach einer Unterstellmöglichkeit für mein Motorrad. Der Herbeigerufene bietet an, dass ich meine Maschine bei ihm abstellen kann. Er würde voraus fahren, ich hinterher und er bringt mich mit dem Auto wieder zurück. Ok. Bei ihm angekommen, wird das Tor verriegelt und ich werde in die Wohnung geführt. Jetzt soll ich hier schlafen. Die Mutter kocht. Sehr nett werde ich begrüßt. Ich denke mir, dass ich wohl jetzt quasi eingeladen bin. Wäre nichts Ungewöhnliches laut so manchen Beschreibungen. Das Zimmer und das Bad sind schon ziemlich unterirdisch, aber was soll’s. Aber dann wird abkassiert. Ich soll den vereinbarten Preis für die vorherige (neue) Unterkunft bezahlen. Und zwar sofort. Ich protestiere. Man gibt mir zu verstehen, dass ich sonst nur schwer rauskomme. Gegessen wird ohne mich. Ich frage nach Wasser. Man schickt mich zum nächsten Geschäft. Seit dem rede ich nur noch deutsch und zwar herb. Das funktioniert. Leider. Jetzt traut sich keiner mehr mich anzusehen.
Vergessen sind da schon die Kleinigkeiten wie das Motorrad zuparken, ausbremsen, an der Tankstellenkasse wegrempeln, die Tür vor einem zumachen oder auch mehrmals erlebt: Dieser (öffentliche und an sich kostenlose) Parkplatz kostet 20 UAH (Ukrainische Hrywnja, sprich Grinja, ca. 1,80€; durchschnittlich der halbe Tageslohn hier) oder man müsse was bei demjenigen essen/trinken/kaufen. Diesem Land fehlt mehr als nur Demokratie. Noch nie habe ich mich so sehr auf Russland gefreut.

3 Antworten auf „Lektionen in Gastfreundschaft“

  1. Das ist aber sehr schade, dass Du immerhin in einem der Gastgeberländer der Fußball-EM so empfangen wirst – die gerechte Strafe wird sein: Ukraine scheidet torlos als Gruppenletzter aus und stellt einen neuen Rekord an Gegentoren auf 🙂
    aber da bist Du schon längst weitergezogen, auf ein Besseres in Rossia!

  2. Tja Reiseführer und die Wirklichkeit. Ich sag nur „Mostly harmless“. Aber solange dass die einzigen Unannehmlichkeiten sind – genieße Deine Reise weiter und lass Dich nicht unter kriegen. Viel Glück in Russland.

  3. Ich war zur Fussball-EM ebenfalls mit dem Motorrad für ein paar Tage in der Ukraine (Lviv) und habe duchweg positive Erfahrungen mit Land und Leuten gemacht. Allerdings muss ich zugeben das ich den Eindruck hatte das irgendwie Alle und Alles „weichgespült und eingenordet“ waren. Europa guckt auf uns…nur nicht negativ auffallen. Mir hat dieser Kurztrip Lust auf eine größere Reise in die östlichen Regionen des Landes gemacht. Dir eine gute Reise……

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